Der große Kita-Sommer-Impuls

Wenn das so weitergeht… gehen wir das anders an!

Praxis-Tipps für mehr Freude und Kraft im Kita-Alltag – Nr. 1 von 3

„Herausfordernde“ Kinder und Eltern

Dachtest Du auch: „Wenn die Pandemie erstmal geschafft ist, dann läuft alles wieder besser“? Also vielleicht nicht ganz genauso wie vorher, aber zumindest wieder ohne diese angespannte Habachtstellung, ohne das ständige „Team-schiebe-Puzzle“ und ohne das Gefühl, für nichts richtig Zeit zu haben. Ein Blick in die Kitas zeigt: Das ist leider nicht so gekommen.
Im Austausch zwischen unseren Referent:innen und Kita-Fachkräften werden immer wieder die gleichen Themen benannt, die derzeit als große Belastung empfunden werden. Es stimmt: Das Arbeitsfeld Kita ächzt unter den Anforderungen auf der einen und den eingeschränkten Möglichkeiten auf der anderen Seite. Die Rahmenbedingungen sind mehr als ungünstig.
Doch bedeutet das, dass du als Fachkraft dem einfach nur ausgeliefert bist und ihr als Team dem nichts entgegenzusetzen habt?
Wir finden: nein, du kannst bzw. ihr könnt eine Menge tun, um die Situation mitzugestalten und anders anzugehen!
In unserem großen Kita- Sommer-Impuls von Juni bis August geben wir euch konkrete Ideen und Tipps für den Start in das neue Kita-Jahr an die Hand. Sie können euch darin unterstützen, die Situation bewusst anzupacken und zu gestalten.


Los geht es heute mit dem ersten Teil: Das Arbeitsfeld: „Herausfordernde“ Kinder und Eltern

Die Kinder sind „schwieriger“ geworden: Die Corona-Jahrgänge sind in der Kita angekommen, die Gemeinschaftsfähigkeit und Sozialkompetenz der Kinder sind geringer ausgebildet, die Bindung zu den Bezugspersonen ist enger und die Auffälligkeiten in den Entwicklungsbereichen umfangreich und herausfordernd.


Erwartungshaltung vs. Mitgestaltungsbereitschaft in der Elternschaft: die Zusammenarbeit mit den Eltern lag brach, weil sie über einen langen Zeitraum die Kitas nicht einmal betreten durften; der Fokus auf das eigene Kind hat sich durch die intensive Betreuung zu Hause in der Corona-Zeit verstärkt, der Sinn für das Gemeinschaftsgefüge ist zurückgegangen, der Druck durch die Arbeitgeber ist nach Auslaufen der Corona-Sonderregelungen wieder hoch.

 

 

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„Herausfordernde“ Kinder: Vom Fokus auf Defizite in die Potenzialorientierung

Unbestreitbar sind die derzeitigen Kita-Kinder in einer Zeit aufgewachsen, in der ihre Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt waren. Für die Begleitung der Kinder in der Kita sind Pauschalisierungen trotzdem nicht angebracht. Hier greift das sog. kleine Einmaleins der Elementarpädagogik: als Fachkraft weißt du, dass Entwicklung individuell verläuft und Weiterentwicklung und Lernen am wirkungsvollsten durch intrinsische Motivation und Begeisterung angeregt werden. Im Umgang mit „schwierigen“ Kindern ist es deshalb nicht hilfreich, den Fokus auf ihre Defizite und Lernfelder zu legen. Dies umso mehr, wenn es dazu führt, dass du einen innerlichen Widerwillen verspürst, dich ihnen zuzuwenden.

Der Schlüssel zur Verbesserung der Situation mit jedem herausfordernden Kind liegt im Einnehmen einer potenzialorientierten Haltung und Ausrichtung:

  1. Geh in die Selbstreflexion: wo schränkst du den Handlungsspielraum des Kindes ein, weil du sein unerwünschtes Verhalten bereits erwartest?
  2. Nimm dir die Zeit und notiere dir zu dem Kind mindestens drei positive Eigenschaften oder Stärken. Wenn es dir schwerfällt, sie zu benennen, gehe bewusst in die Beobachtung des Kindes, um sie herauszufinden. Sie bilden die Grundlage für dein professionelles Handeln.
  3.  Plane pädagogische Interaktionen mit dem Kind: wie kannst du diesen Eigenschaften und Stärken Raum geben? Womit bietest du dem Kind die Möglichkeit, sich konstruktiv einzubringen und eine positive Verstärkung zu erleben?
  4.  Lege dir ein Bullet-Tagebuch an und halte zwei Wochen lang am Ende jedes Arbeitstages in kurzen Stichpunkten fest, welche positiven Begegnungen du selbst mit dem Kind hattest oder beobachtet hast. Wiege sie nicht mit den herausfordernden Situationen auf, sondern entscheide dich dafür, deine Wahrnehmung für kleine, positive Momente und schließlich auch Veränderungen zu schärfen.
  5. Motiviere deine Kolleg:innen, dies ebenfalls zu tun. Vereinbart miteinander, euch in dem Beobachtungszeitraum bewusst nicht darüber auszutauschen, was nicht gut gelaufen ist. Was schwierig ist, ist euch ohnehin völlig klar. Wertet anschließend in einer kollegialen Beratung eure Beobachtungen aus und entwickelt daran ein Konzept für die Begleitung des Kindes. Klärt entstandene Fragen anhand von Fachliteratur, im Austausch mit den Kolleg:innen, durch gezielte Weiterbildung und ggf. durch das Hinzuziehen von Spezialist:innen.

 

Diese Herbst-Seminare können dich und euch im Umgang mit den Kindern unterstützen:

 


„Herausfordernde“ Eltern: Vom Abgrenzen und Rechtfertigen ins Einladen und Mitnehmen

Eltern, mit denen die Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes kompliziert ist, gab es schon immer. Dennoch ist es ungleich schwerer geworden, die Zusammenarbeit vonseiten der Kita auszugestalten, weil die Kultur der Erziehungspartnerschaft abgebrochen ist.
Da sind zum einen die Eltern, die froh sind, dass alle Einschränkungen nun ein Ende haben und endlich wieder mitreden und mitgestalten wollen. Die Erwartungshaltung ist hoch: Wann macht ihr denn endlich mal wieder ein richtiges Projekt? Warum gibt es denn immer noch so wenige Schulanfänger-Ausflüge? Früher gab es doch immer das große Laternen-Basteln mit den Eltern, findet das schon wieder nicht statt? Ach, tut das gut, beim Bringen und Abholen wieder ausführlich mit anderen Eltern quatschen zu können!
Zum anderen sind da die Eltern, die die Kita nur aus der Zeit der geschlossenen Türen und dem eingeschränkten Arbeiten kennen. Die Bereitschaft, sich einzubringen, ist gering: Wie soll ich das denn machen, mein Kind beim Ankommen bis zum Betreten des Gruppenraumes zu unterstützen – ich muss doch zur Arbeit! Warum soll ich denn schon wieder was zu einem Buffet beisteuern, es gibt doch die Kita-Verpflegung, dafür zahle ich schließlich! Ach, das stand an der Pinnwand?!? – Hab ich nicht gesehen!
Die unterschiedlichen Erwartungen und Anforderungen lösen bei vielen Fachkräften Stress und Überforderung aus. Es entsteht eine innere Abwehrhaltung der Abgrenzung und Rechtfertigung. Eine Chance, aus dieser Spirale wieder heraus zu kommen und die Zusammenarbeit mit den Eltern wieder aktiv zu gestalten, liegt in der Transparenz und einer proaktiven Offensive:

  1. Fülle den ausgehängten Wochenrückblick mit neuen Inhalten: zähle nicht nur die durchgeführten Angebote auf, sondern mach die pädagogischen Ziele und Förderanregungen sichtbar. Schreibe statt ‚Laternenlieder üben‘ z.B. ‚Wir bereiten uns auf das Laternenfest vor! Das Singen der alten und neuen Lieder macht Spaß und gute Laune, fördert das Gemeinschaftsgefühl, bringt uns in Bewegung und erweitert den Wortschatz der Kinder.‘
  2. Begleite die Eltern zuvorkommend und konsequent in den alltäglichen Begegnungen durch klare Kommunikation via Eltern-Infos: Was erwartet ihr als Team z.B. in der Bring-Situation von den Eltern und aus welchem Grund? Sensibilisiere die Eltern in Tür- und Angelgesprächen für die Gesamtsituation und habe den Mut, die Umsetzung der geäußerten Regeln freundlich einzufordern. Sucht bei Konflikten frühzeitig das klärende Gespräch, um Eskalationen vorzubeugen.
  3. Einladen statt Vorwürfe denken. Mit einem negativen Blick könnte man sagen, man muss sich die Eltern „wieder erziehen“. Der positive Blick auf die momentane Lebenswirklichkeit der Eltern, gepaart mit den vereinbarten Zielen, wie ihr mit den Eltern zusammenarbeiten wollt, fördert jedoch eine einladende und wertschätzende Haltung den Eltern gegenüber. Ruf dir in Erinnerung: Eltern sind und bleiben die Experten für ihre eigenen Kinder. Spüren die Eltern, dass du ihnen zugewandt und auf Augenhöhe begegnest, fällt es ihnen leichter, dir ihr Kind anzuvertrauen und lassen sich eher darauf ein, bei Veränderungen mitzuziehen.
  4. Werde kreativ, um die Eltern mitzunehmen. Wie sollen Eltern wissen, wie ihr euch als Team die Zusammenarbeit vorstellt, wenn sie es nicht anders erlebt haben? Überlegt euch sichtbare Aktionen, um konkrete Abläufe (neu) zu etablieren, kündigt sie an und führt sie ab einem bestimmten Stichtag durch. Dies kann z.B. über zwei Wochen lang ein morgendlicher ‚Kita-Herold-Dienst‘ sein, bei dem eine Fachkraft mit zwei Kindern gemeinsam darauf hinweist, wo man nachlesen kann, in welcher Gruppe der Frühdienst die Kinder erwartet. Je humorvoller und zugewandter ihr die Eltern an die neuen (alten) Regeln heranführt, umso mehr weckt ihr die Bereitschaft, sich darauf einzulassen.
  5. Einigt euch im Team auf einen einheitlichen Umgang mit herausfordernden Eltern und der Gestaltung bestimmter Situationen und zieht an einem Strang. Ausnahmen bestätigen erst die Regel, wenn die Regel wieder etabliert ist. Seid deshalb gut miteinander im Gespräch, ab wann oder in welcher Hinsicht Ausnahmen gewährt werden. Und dann bist du wieder als einzelne Fachkraft gefragt: Halte dich an eure Absprachen und unterstütze damit den Prozess, die Zusammenarbeit mit den Eltern wieder aktiv zu gestalten.

 

Diese Herbst-Seminare können dich und euch im Umgang mit den Eltern unterstützen:

 

Wir wünschen euch viele schöne Begegnungen mit den Kindern und ihren Eltern!

Die beiden nächsten Ausgaben unserer Kita-Impulse beschäftigen sich mit diesen Themen und haben wieder viele Tipps für die Praxis im Gepäck:
• Juli 2023 – Personal-Ausfälle und Personal-Mangel
• August 2023 – pädagogisches Arbeiten und Zusammenarbeit im Team

(Autorin: Kerstin Schalles, Fachbereichsleitung Berufliche Bildung)