Der große Kita-Sommer-Impuls (Teil 3)

Wenn das so weitergeht, gehen wir das anders an!

Praxis-Tipps für mehr Freude und Kraft im Kita-Alltag – Nr. 3 von 3

Pädagogisches Arbeiten und Zusammenarbeit im Team

Das neue Kita-Jahr ist gestartet. Die neuen Kinder werden nach und nach eingewöhnt, neue Familien werden Teil der Kita-Gemeinschaft, neue Kolleg:innen starten vielerorts in die Einarbeitung in einer neuen Wirkungsstätte. Geblieben sind die Herausforderungen des bunten und turbulenten Kita-Alltags. Ja, viele dieser Herausforderungen werden uns weiterhin begleiten, wie z.B. Zeiten mit hohem Krankenstand oder immer wieder vakante Stellen, für die neue Mitarbeitende gefunden werden müssen.

Wir sind jedoch fest davon überzeugt, dass du als Fachkraft und ihr als Team aktiv dazu beizutragen könnt, die Situation nicht nur zu meistern, sondern sogar zu gestalten!

In unserem großen Kita-Sommer-Impuls geben wir euch in drei Teilen Ideen und Tipps für den Start in das neue Kita-Jahr an die Hand. Die ersten beiden Teile von Juli und August 2023 mit den Themen Schwierige Kinder und Eltern und Personal-Ausfälle und Personal-Mangel meistern findest Du bereits auf unserer Webseite.

Im August 2023 widmen wir uns dem Thema ‚Pädagogisches Arbeiten und Zusammenarbeit im Team‘.

Zusammenhalt im Team© Hannah Busing auf Unsplash

Das ‚ABER‘ mal streichen und einfach anfangen

Die Corona-Zeit hat das pädagogische Arbeiten in den Kitas mit einer Vollbremsung zum Stillstand gebracht. Angebote in Kleingruppen, Bewegungs- oder musikalische waren nicht möglich, um das Infektionsgeschehen einigermaßen in den Griff zu bekommen. Projekte wurden kleiner oder gar nicht mehr geplant, der Anspruch zu bilden rückte in den Hintergrund und die Erfüllung des Betreuungsauftrags wurde mit dem Auslaufen der Pandemie wieder einmal zur wichtigsten Erwartung an die Kitas.

Eigentlich müsste das doch inzwischen längst hinter uns liegen und die pädagogische Arbeit wieder in den Fokus der Kita-Tage rücken. Im Gespräch mit Fachkräften höre ich allerdings immer wieder Sätze wie: „Ich weiß gar nicht, wie wir jetzt auch noch Angebote machen sollen! Dafür haben wir überhaupt keine Zeit / sind wir zu wenig Leute / sind die Kinder zu anstrengend!“. Wie steigt man als Fachkraft und Team aus diesem Fahrwasser aus?

So kannst du bzw. könnt ihr losgehen:

  1. Die Voraussetzung für eine Veränderung liegt in der Art und Weise, wie man ein Problem betrachtet. Wenn nicht du die Entscheidung triffst, die pädagogische Begleitung und Förderung der Kinder wieder in den Mittelpunkt zu stellen: Wer soll es denn für dich tun? Oder andersherum: In dem Moment, in dem du dich bzw. ihr euch bewusst entscheidet, wieder ein:e Pädagog:in zu sein statt nur Betreuer:in, ist der Startschuss gefallen! Die Schlüsselfrage ist: Welches Bild hast Du von Dir selbst als pädagogische Fachkraft? Wie willst du arbeiten? Nimm (wieder) eine kindorientierte Haltung ein und entscheide dich dagegen, dem ‚Wenn und Aber‘ in deinen Gedanken und eurem verbalen Austausch weiterhin die Oberhand zu lassen. Sagt dem Stöhnen und Meckern gemeinsam den Kampf an. Dabei hilft übrigens ein Augenzwinkern, eine Portion Selbstironie und ein positives, gegenseitiges Anschubsen ungemein.

  2. Wenn das Gefühl vorherrscht, dass die Rahmenbedingungen Angebote nicht zulassen, ist es an der Zeit, den Tagesablauf mutig unter die Lupe zu nehmen und den Rahmen anzupassen oder anders zu gestalten. Werdet kreativ und experimentiert mit neuen Strukturen.

    • Die Bring-Zeit ist so lang, dass kein gemeinsamer Start in den Tag möglich ist? Entwickelt kurze Rituale, um die Kinder in den Tag abzuholen. Ein Beispiel wäre, dass in 30 Minuten-Abschnitten die Tür für drei Minuten schließt, ein Gong als Leise-Zeichen ertönt und sich jedes Kind, das seit dem letzten Gong hereingekommen ist, auf einen Stuhl stellen und seinen Namen rufen darf.

    • Die Mittagessenszeit liegt so früh, dass der Vormittag zwischen Bringen und Essen zu kurz für Aktionen mit den Kindern ist? Verschiebt sie nach hinten! Schon 15 Minuten setzen eine Menge Raum frei.

    • Es ist immer eine Herausforderung, allen Kolleg:innen eine Pause zu ermöglichen? Legt feste Pause-Zeiten für bestimmte Dienste fest, damit Ihr nur in seltensten Ausnahmen durch heftige Unterbesetzung überlegen müsst, wer nun wann in Pause geht. Damit werden feste Zeiten geschaffen, in denen eine:r von euch ein pädagogisches Angebot durchführen kann, während jemand anderes den Gesamtüberblick über den Raum behält und Ansprechpartner:in für die Kinder ist.

  3.  Ein Ziel erreicht man immer nur mit dem nächsten Schritt. Wenn das Ziel heißt, wieder pädagogische Projekte über einen längeren Zeitraum durchzuführen, greife erst einmal eine kleine Beobachtung auf und biete dazu drei aufeinander aufbauende, kurze Freispiel-Angebote in einem Zeitraum von zwei Wochen an. Lade die Kinder z.B. im Morgenkreis dazu ein und stell das Ergebnis am Ende der 14 Tage in einem Plenum von wenigen Minuten allen Kindern vor. Dafür reicht eine „Achtung, Achtung! Alle mal herhören! Schaut mal!“-Unterbrechung des Freispiels für fünf bis sieben Minuten, ohne Aufräumen, ohne Kreis bilden, ohne ausführlichen Rahmen. Beteilige die Kinder an der Präsentation, schenke dadurch Wertschätzung und wecke in einem Rutsch die Neugier und das Interesse anderer Kinder. Wenn Dein:e Kolleg:in in den nächsten zwei Wochen das nächste Mini-Projekt anbietet, wird daraus in kleinen Schritten ein Weg, der irgendwann größer werdende Projekte ermöglicht.
     
  4. Nutze den Augenblick. Es ist keine Zeit für Sprachförderung? Ihr seid zu wenig Personal, um den Bewegungsraum zu nutzen? Besinne dich auf die kleinen Momente, in der Förderung spielerisch passieren kann. Setz dich z.B. mit der Gitarre mitten in den Gruppenraum auf den Boden und fang an, ein paar Lieder zu singen. Stellst du dabei ein paar Orff-Instrumente zur Verfügung, wirst du innerhalb von Minuten ein kleines Orchester um dich herum vorfinden und die Sprachförderung ist in vollem Gang. Oder nimm eine Bluetooth-Box mit auf das Außengelände und biete während der Gartenzeit zu lauter Musik 15 Minuten Fitness-Action an. Je begeisterter du selbst mitmachst, desto mehr Kinder hüpfen plötzlich auf einem Bein, wackeln mit dem Po zu oder tanzen einfach nur nach Lust und Laune. Und nebenbei entwickeln die Kinder nach und nach wieder ein besseres Körpergefühl und wird innerer Stress durch Lachen und Bewegung abgebaut.
     

Sprich mit deinen Kolleg:innen über diese kleinen Veränderungen. Erzählt euch von schönen Momenten mit den Kindern. Tauscht Ideen aus, nehmt Anregungen anderer auf oder passt sie an. Motiviert einander, indem ihr den Fokus gemeinsam verändert. Sammelt im Teamzimmer für einen Zeitraum von sechs Wochen kleine „Wir sind Pädagog:innen!“-Momente auf einem großen Plakat und macht diese für euch alle sichtbar: z.B. ein Wettrennen im Garten, eine Unterstützung beim eigenständigen Konfliktlösen, ein eingeführtes neues Lied, eine abgeschlossene Eingewöhnung, ein gutes Gespräch mit einem Elternteil. Füllt eure kleinen Alltagsgespräche mehr und mehr mit positivem Austausch über schöne Augenblicke und reduziert bewusst das negative Schwarzmalen. Feiert euch für eure Ideen und eure Kreativität und verändert euren Blick auf die Arbeit. Das, was unser Denken füllt, prägt unser Handeln!
 

Vom ICH zum WIR: was du zu einer besseren Zusammenarbeit beitragen kannst

Nicht nur die pädagogische Arbeit, sondern auch die Zusammenarbeit im Team hat sich an vielen Stellen in den letzten Jahren verändert. Das Arbeiten in Kohorten oder Sektionen oder anderen festgelegten Kleinteam-Strukturen haben zu verringerten Kontakten innerhalb von Großteams geführt. Darüber hinaus tragen zu den „normalen“ Veränderungen in Teams durch Elternzeit, Eintritt in den Ruhestand u.ä. auch eine steigende Fluktuation und unbesetzte Stellen zu einer Entfremdung in Teams bei.

Im turbulenten Kita-Alltag gelingt es nur schwer, einander und neue Kolleg:innen besser kennenzulernen. Es entstehen engere Kleinteams, die sich mehr oder weniger autark in der Kita empfinden, der Blick für das große Ganze und das Wir-Gefühl als Großteam geht verloren. Darunter leiden sowohl Arbeitsabläufe als auch die Qualität der pädagogischen Arbeit – und damit auch die Kinder. Diese Auswirkungen führen zu einer hohen Unzufriedenheit und leider auch häufig zu Konflikten im Team, die vermeidbar sind.

So kannst du zu einem besseren Arbeitsklima und einer bereichernden Zusammenarbeit beitragen:

  1. Reflektiere die Art und Weise, wie du deinen Kolleg:innen im Alltag begegnest und fange an, in diesen Begegnungen bewusst mit kleinen Gesten Wertschätzung zu schenken. Es beginnt mit einem Blick in die Augen und einem Lächeln, wenn du an eine:r Kolleg:in vorbeiläufst, ihr euch unterhaltet oder zusammenarbeitet. Jedes Lächeln, das du deinem Gegenüber schenkst, vermittelt dir und dem anderen ein gutes Gefühl und wird meistens mit einem Zurücklächeln belohnt. Du wirst davon überrascht sein, wie viel du durch diese kleinen Momente mitbekommst und kennenlernst. Das einander ansehen führt zu einer höheren Wahrnehmung der einzelnen Teammitglieder und trägt zu dem Bewusstsein bei, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Das Wir-Gefühl wächst.
     
  2. Sich als Kolleg:innen gut zu verstehen und zusammenzuarbeiten bedeutet nicht, mit jede:m befreundet zu sein. Kläre deine berufliche Rolle: Ein Team lebt von unterschiedlichen Persönlichkeiten und Stärken. Eine berufliche Beziehung professionell zu gestalten beinhaltet auch, mit Menschen, die sehr anders sind als man selbst, respektvoll und wertschätzend zu interagieren. Dies wird möglich, wenn du aktiv versuchst, diese Kolleg:innen kennenzulernen und in einen positiven Austausch mit ihnen einzusteigen, z.B. indem du dich in der Teambesprechung neben diese:n Kolleg:in setzt oder gemeinsam mit ihm:ihr in einer Arbeitsgruppe eine Aufgabe übernimmst.

    Und dann sind da ja auch noch die Kolleg:innen, mit denen man sich richtig gut versteht. Auch hier ist Professionalität gefragt. Ja, es tut gut, mit Kolleg:innen auch darüber sprechen zu können, wie es einem geht, was Zuhause los ist und warum man die jeweilige Tagesform hat. Häufig entstehen hier sogar Freundschaften unter Kolleg:innen. Das ist natürlich in Ordnung – solange es nicht dazu führt, dass die Arbeit liegen bleibt oder die Beziehungen zu einer Grüppchenbildung im Team und einem Vernachlässigen der Zusammenarbeit mit anderen Teammitgliedern führt. Das Zünglein an der Waage ist der Umfang privater Gespräche während der Arbeitszeit. Seid füreinander da, aber verabredet Euch für einen ausführlichen privaten Austausch außerhalb der Kita-Zeit zu einem Telefonat oder Treffen.
     
  3. Kennst du das? Eine Situation löst eine Assoziation aus – da war doch vor drei Jahren dieses Kind, weißt du noch? Das war immer so witzig!! Oder die Chefin damals, Mann-oh-Mann konnte die ausflippen – großes gemeinsames Augenverdrehen. Die neue Auszubildende hat, ernsthaft schon wieder vergessen, im Spätdienst die Fenster zu schließen? Das kann ja heiter werden – ein vielsagender Blick quer durch den Gruppenraum. „Insider“ sind „Ausgrenzer“. Sie schweißen die zusammen, die ohne viele erklärende Worte verstehen, worum es geht. Und signalisieren allen anderen: du bist draußen, du hast keine Ahnung, du gehörst hier nicht dazu und vielleicht sogar: Du kommst hier auch nicht rein! Geh sensibel mit solchen Insider-Momenten um. Nimm dir die Zeit, dem neuen Kollegen zu erzählen, was an der Situation mit dem Kind damals so lustig war. Mach transparent, dass die Belastung unter der alten Chefin sehr hoch war und erkläre, warum euch das immer noch triggert. Trage dazu bei, dass „Insider“ zu „Reinholern“ werden.
     
  4. Mach es dir zur Aufgabe, zu einer effektiven Kommunikation innerhalb des Teams beizutragen. Gut informiert zu sein, ist die Schmiere im Getriebe der Zusammenarbeit. Hier ist Mitdenken und proaktives Kommunizieren gefragt. Die Schlüsselfragen sind: Wer braucht die Information ebenfalls? Wo bekomme ich die Information, die ich brauche? In der Kommunikation eines Teams gibt es nicht nur die Bring-Pflicht, sondern auch die Hol-Pflicht. Nehmen alle Teammitglieder ihre Bring-Pflicht wahr, fließen Informationen besser. Lieber hört jemand eine Info dreimal als kein Mal. Nehmen alle Teammitglieder wiederum auch ihre Hol-Pflicht wahr, entstehen weniger Wissenslücken und Missverständnisse. Du warst in der Teambesprechung nicht da? Dann ist es deine eigene Aufgabe, im Protokoll nachzulesen, was besprochen und vereinbart wurde.
     
  5. Der letzte Tipp ist so einfach, dass man sich wundert, wie oft er in Teams wiederholt werden muss: Halte Absprachen ein! Das Sprichwort ‚Ausnahmen bestätigen die Regel‘ greift nämlich erst, wenn die Regel umfassend implementiert ist und in 95% der Fälle greift. Habt ihr im Team z.B. vereinbart, dass Kinder, die mit Fieber aus der Kita abgeholt werden müssen, auf jeden Fall 24 Stunden zu Hause bleiben müssen? Dann mach auch du bei der besonders hartnäckigen Familie, die sich laut beschwert, keine Ausnahme. Ihr habt eine Deadline vereinbart, bis wann die Portfolios der Schulanfänger fertig sein sollen? Erledige deinen Anteil rechtzeitig. Du warst nicht überzeugt von der neuen Regel, dass die Kinder ab jetzt selbst bestimmen dürfen, ob sie draußen eine Jacke anziehen und es wurde trotzdem beschlossen? Gehe nicht in den inneren Boykott, sondern setze es erstmal mit um. Hast du dauerhaft Bedenken, bringe es ins Team ein, vielleicht müsst ihr eine Entscheidung auf den Prüfstand stellen. Doch grundsätzlich gilt: Je mehr ihr als Team an einem Strang zieht, desto bereichernder erlebt ihr eure Zusammenarbeit!
     

Wir wünschen dir und euch einen guten weiteren Einstieg ins neue Kita-Jahr!

Autorin: Kerstin Schalles, Fachbereichsleitung Berufliche Bildung und Kita-Coach

 

 
Ach übrigens: in diesen Seminaren sind noch Plätze frei. Kommst du dazu?